Hintergründe

Definitionen

Unterschieden wird in die beiden Begriffe Obdachlosigkeit und Wohnungslosigkeit. Die Begriffsdefinition der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe, abgeleitet von der Europäischen Typologie von Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekärer Wohnversorgung lautet wie folgt:

Obdachlosigkeit

„Als obdachlos gelten Menschen, die auf der Straße leben, an öffentlichen Plätzen wohnen, ohne eine Unterkunft, die sich in Verschlägen, Parks oder unter Brücken etc. aufhalten.

Obdachlos sind aber auch Menschen in Notunterkünften, die keinen festen Wohnsitz haben und in Wärmestuben, Notschlafstellen oder anderen niederschwelligen Einrichtungen übernachten.“

Wohnungslosigkeit

„Als wohnungslos gelten Menschen, die in Einrichtungen wohnen, in denen die Aufenthaltsdauer begrenzt ist und in denen keine Dauerwohnplätze zur Verfügung stehen, wie z.B. Übergangswohnheime, Asyle und Herbergen, aber auch Übergangswohnungen.

Auch Frauen und Kinder, die wegen häuslicher Gewalt ihre Wohnung verlassen haben und kurz- bis mittelfristig in einer Schutzeinrichtung beherbergt sind, wie z.B. in Frauenhäusern, sind wohnungslos.

Wohnungslos sind auch ImmigrantInnen und AsylwerberInnen, die in Auffangstellen, Lagern, Heimen oder Herbergen wohnen, bis ihr Aufenthaltsstatus geklärt ist sowie AusländerInnen mit befristeter Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis, die in Gastarbeiterquartieren leben.

Eine weitere Gruppe Wohnungsloser ist die von Menschen, die aus Institutionen entlassen werden, z.B. Gefängnissen, Spitälern, Heilanstalten und Jugendheimen. Diese Menschen bleiben weiter hospitalisiert, weil häufig keine oder nicht rechtzeitig Vorkehrungen zur Entlassung getroffen wurden und zum Zeitpunkt der Entlassung kein Wohnplatz zur Verfügung steht. Ganz junge Erwachsene fallen oft nicht mehr unter die Jugendwohlfahrt, bleiben aber weiterhin im Heim, weil keine andere Wohnmöglichkeit zur Verfügung steht.

Letztlich gelten auch Menschen, die in Dauereinrichtungen für Wohnungslose wohnen, oder sich in ambulanter Wohnbetreuung in Einzelwohnungen befinden, als wohnungslos.“

Quelle: BAWO

Wohnungslosigkeit

Wohnungslosigkeit in der Bundesrepublik Deutschland

Eine bundeseinheitliche Statistik zur Wohnungslosigkeit gibt es nicht. Deshalb sind lediglich Schätzungen möglich. Die BAG Wohnungslosenhilfe e. V. (BAG W) veröffentlicht seit 1992 Schätzzahlen von Menschen in Deutschland. Dabei beobachtet sie permanent die Veränderungen des Wohnungs- und Arbeitsmarktes, die Zuwanderung, die Sozialhilfebedürftigkeit sowie regionale Wohnungslosenstatistiken.

Deutschlandweit sind schätzungsweise 284.000 (2012) von der Wohnungslosigkeit betroffen. Betrachtet man die Situation der Wohnungslosigkeit der letzten 10 Jahre, so stellt man leider, mit einem anfänglichen Abwärtstrend bis 2008 (= 223.000 Wohnungslose), einen stetigen Anstieg der Zahlen fest. Der Trend, so die BAG W, wird sich leider fortsetzen und es ist mit einem weiteren Anstieg der Wohnungslosenzahlen auf 380.000 (+33 %) bis 2016 zu rechnen. Hinzu kommt eine relativ konstante Zahl von rund 106.000 Menschen, die von Wohnungslosigkeit bedroht sind.

Sowohl im Osten als auch im Westen sind die Zahlen der wohnungslosen Menschen gleichermaßen angestiegen. So lebten 2012 in Ostdeutschland ca. 35.000 (+ 5.000) und in Westdeutschland ca. 249.000 (+33.000) wohnungslose Menschen.

Laut DzW hatten im Jahr 2010 knapp 22% der Wohnungslosen einen Migrationshintergrund. Im Jahr 2011 stieg dieser um ca. 2% auf 24,4% an. Aufgrund der aktuellen politischen Situation in der Welt und der Kriege ist weiterhin mit steigender Tendenz zu rechnen.

Im Jahr 2012 gab es insgesamt 65.000 neue Wohnungsverluste, darunter ca. 25.000 (38 %) Zwangsräumungen und ca. 40.000 (62 %) „kalte“ Wohnungsverluste.

Die Schätzungen der BAG W lassen erkennen, dass 64% der Wohnungslosen allein und 36% mit Partnern und/oder Kindern leben. Der Frauenanteil lag 2012 bei 25% (ca. 63.000 Frauen). Die BAG W schätzt, dass mehr als 10% (ca. 32.000) der Wohnungslosen Kinder und minderjährige Jugendliche ausmachen. Eine erschreckende und traurige Zahl!

Nach Meinung der BAG W sind die Faktoren der steigenden Zahlen der Wohnungslosen: hohe Mieten, Verarmung der unteren Einkommensgruppen, schwerwiegende sozialpolitische Fehlentscheidungen bei Hartz IV und unzureichender Ausbau von Fachstellen zur Verhinderung von Wohnungsverlusten.

Wohnungslose junge Menschen unter 30 Jahre

Bei den wohnungslosen jungen Menschen unter 30 Jahren ist seit Jahren ein Aufwärtstrend zu erkennen. Laut Dokumentationssystem zur Wohnungslosigkeit (DzW) lag der Anteil der unter 30-jährigen wohnungslosen Menschen im Jahr 2011 bei 31,9% aller Wohnungslosen und somit weiterhin hoch. Auch der Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung 2013 bestätigt den Aufwärtstrend und betont, dass insbesondere Frauen der unter 30-Jährigen einen besonders hoher Anteil dieser Altersgruppe ausmachen

Wohnungslosigkeit in Berlin/Brandenburg

In Berlin/Brandenburg werden die Wohnungslosenzahlen durch die Stichtagserhebung am 31.12. des laufenden Jahres ermittelt. Am Stichtag 31.12.2012 waren mehr als 11.000 wohnungslose Personen behördlich registriert, davon 18% Frauen und 82% Männer. Rund 92% aller Wohnungslosen lebten in Einpersonenhaushalten.

Obdachlosigkeit

Obdachlosigkeit in der Bundesrepublik Deutschland

Bei der Straßenobdachlosigkeit in der Bundesrepublik Deutschland lässt sich ein trauriger Aufwärtstrend erkennen. 2010 lebten ca. 22.000 Menschen auf der Straße, unter ihnen 2000 Frauen. Im Jahr 2010 wurden ca. 5000 bis 7000 Straßenkinder geschätzt. Im Jahr 2012 stieg die Zahl der Obdachlosen in Deutschland um 10%, nämlich auf ca. 24.000 an. Eine eindeutige Zahl gibt es auch hier nicht, weil ein Großteil der Obdachlosen nicht zu den Sozialämtern geht und daher nicht registriert wird. Somit existiert eine hohe Dunkelziffer.

Obdachlosigkeit in Berlin

Auch in Berlin lässt sich die Zahl der Obdachlosen, d.h. der Menschen, die ohne feste Unterkunft auf der Straße (oftmals ohne soziale/finanzielle Unterstützung) leben, nur schätzen. Der Berliner Senat geht bereits seit Jahren von ca. 2.000 bis 4.000 Obdachlosen aus. Doch auch hier geht man von einer weit größeren Dunkelziffer aus.

Auch der Gesundheitszustand der Obdachlosen auf den Straßen Berlins hat sich in den vergangenen Jahren verschlechtert. In die Caritas-Praxis für Wohnungslose am Bahnhof Zoo kommen Menschen mit Hepatitis B und C, HIV, offener Tuberkulose und mit hochansteckenden Hautkrankheiten. Die Meisten tragen nasse Kleidung und im Winter sind manchen Zehen erfroren. 60% der Patienten kommen aus dem Ausland, weil sie keinen Anspruch auf Krankenversorgung haben.

Gründe für Obdachlosigkeit

51% gaben den Verlust des Jobs als Grund an.

48% leiden unter einer Abhängigkeit.

44% sind überschuldet.

40% können die Miete nicht bezahlen.

20% sagen, sie haben kein Zugang zu angemessenen Sozialleistungen oder Unterstützungsangeboten.

19%  haben eine Trennung durchlebt oder einen nahen Verwandten verloren.

16% haben sich bewusst für ein Leben auf der Straße entschieden.

Quelle: Statista

Gewalt gegen obdachlose Menschen

Gewalt an obdachlosen oder wohnungslosen Menschen ist leider ein alltägliches und leider auch ein totgeschwiegenes Phänomen. Die Problematik ist bekannt, findet aber in der Gesellschaft und den Medien wenig Beachtung. Opfer sind meist Männer zwischen 35 und 48 Jahren, die auf der Straße (ihrem einzigen Lebensraum) der Gewalt ausgesetzt sind.

Laut BAG W reicht die Gewalt dabei von Beleidigung und Nötigung über Diebstahl und Raub bis hin zu Körperverletzungen, Totschlag und Mord. Von 1989 bis 2012 wurden mindestens 195 wohnungslose Menschen getötet.

Obdachlosigkeit im Winter

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) zählt seit 1991 die Kältetoten. Bis 2013 sind insgesamt mindestens 278 Wohnungslose auf deutschen Straßen gestorben.

Im Jahr suchten sich in Berlin laut Diakonie ca. 4.000 der 11.000 Wohnungslosen eigenständig einen Übernachtungsplatz auf der Straße oder bei Freunden. Die anderen kamen in öffentlichen Einrichtungen und anderen Notunterkünften unter. In Berlin gibt es 470 Betten in 16 Notübernachtungen und 13 Nachtcafés, die stets überfüllt sind. Die Betten reichen nicht mehr aus, um alle Bedürftigen unterzukriegen. In der Wintersaison 2013 gab es insgesamt 69.5000 Übernachtungen.

Quellen