Interview mit Frank Zander

Auch dieses Jahr werden Sie wieder mit Ihrer Familie, Freunden, Sponsoren und Helfern ein großes Weihnachtsfest für Obdachlose und Bedürftige im Estrel Berlin geben. Sind Sie stolz, bedürftigen Menschen schon so oft Freude beschert zu haben?

Na klar bin ich stolz, aber nicht nur auf mich, sondern auf alle, die mitmachen: Meine Familie, meine Freunde, das Estrel Hotel, die sozialen Einrichtungen, die Helfer und Sponsoren und und, und… Ja und natürlich bin ich auch stolz auf meine Auszeichnungen, wie das Bundesverdienstkreuz oder die Ehrennadel von Berlin. Ich nutze solche Preise gerne, um neue Sponsoren zu gewinnen und genieße es auch, in den Medien meine Meinung sagen zu dürfen. Ich spiele gerne mal den modernen Robin Hood.

Wie entstand vor über 20 Jahren die Idee, die Feste zu veranstalten?

Nun ja, der Weg zum Bahnhof Zoo, um ein kleines Paket für Obdachlose abzugeben, gehörte schon vor 1995 zu meinem alljährlichen Weihnachtsritual. Vor 18 Jahren hatte meine damalige Plattenfirma die Idee, eine CD Veröffentlichung zu nutzen, um arme Menschen einzuladen. Dieses Beispiel kam von Bruce Springsteen, der in New York Obdachlose zu seiner CD Release-Party einlud. Das Ganze war zwar gut gedacht, ging aber nach hinten los. Auf den Rat einiger Presseleute ließen wir die CD-Veröffentlichungsparty sausen und kümmerten uns nur um die 120 armen Menschen. Diese erste Feier im Schloß Diedersdorf war ein voller Erfolg und für uns eine wichtige und wunderbare Erfahrung. Es wurden jährlich mehr Gäste, bis wir 1999 mit unserer Feier in das Estrel Festival Center zogen. Ich lernte den Estrel-Hotelbesitzer (Herrn Streletzki) kennen und seitdem durften wir unsere Feier im ganz großen Saal (Convention Center) veranstalten. In diesem Jahr erwarten wir ca. 3.000 obdachlose und bedürftige Menschen.

Sie werden ca. 3.000 Gäste begrüßen. Erhalten denn alle Einlass, die gern teilnehmen möchten?

Wir lassen über die sozialen Stationen in Berlin kostenlose Einlassbändchen verteilen. In Aufwärmestellen, Essenausgaben und Notübernachtungen der Stadt hängen Plakate mit der Information, wo man sich die Bändchen abholen kann und wann die Busse zur Feier abfahren. Das klappt eigentlich sehr gut. Natürlich ist die Anzahl der Bändchen begrenzt, aber das versteht eigentlich jeder. Für Gäste, die ohne Bändchen am Tag der Veranstaltung zum Hotel kommen, haben wir noch ein Kontingent vor Ort, die von Sozialarbeitern verteilt werden. Sind auch diese Bändchen alle, haben wir als kleinen Trost noch Geschenketaschen.

Wie viele Obdachlose zählt Berlin derzeit?

Offiziell werden von den Behörden ca. 4.000 Obdachlose genannt, aber die Hilfsverbände gehen von einer viel höheren Zahl aus – schätzungsweise 8.000 bis 10.000.

Worauf dürfen sich Ihre Gäste freuen? Wie sieht das Programm aus? Gibt es auch eine Bescherung?

Wie in jedem Jahr lasse ich es mir nicht nehmen, jeden Gast persönlich am Eingang zu begrüßen – das dauert dann schon mal eine ganze Stunde. Danach gehen die Gäste in den festlich geschmückten Saal mit über 250 Tischen, einem 12-köpfigen Friseur-Team und vielen Kleiderständen. Es gibt eine kurze Ansprache von meinem Sohn und meinem Texter Hanno Bruhn – die beide von Anfang an dabei waren – sie nennen die Sponsoren und die Spenden. Kurz darauf startet auch schon das Bühnenprogramm mit vielen bekannten Künstlern. Verraten darf ich an dieser Stelle aber nicht alles, denn es wird auch Überraschungen geben. Dann werden ca. 3.000 Gänsebraten verteilt. Es ist unglaublich, aber nach knapp 15 Minuten hat wirklich jeder der Gäste sein Weihnachtsessen. Evtl. gibt es auch wieder eine Nachspeise und um ca. 19:30 Uhr, nachdem ich mit meiner Band und dem Song „Nur Nach Hause..“ das Finale eingeläutet habe, erhält noch jeder Gast am Ausgang eine Geschenketasche mit vielen nützlichen Dingen wie Schals, Handschuhen, Schokolade, etc.

Worauf freuen Sie sich bei dem Fest?

Ich freue mich auf die Begegnungen mit den Menschen, denn um sie geht es an diesem Abend. Viele vergessen vor lauter Kaufrausch, dass Weihnachten ein christliches Fest ist. Es geht weniger um Materielles, als um das familiäre Beisammensein.

Ist die Stimmung durchweg ausgelassen oder gibt es auch traurige Momente?

Natürlich sind wir alle immer sehr gerührt und auch berührt, wenn die Ärmsten der Armen den Saal betreten. Aber diese Menschen vertrauen uns und sie wollen an diesem Tag auch nicht bemitleidet werden. Es kann ganz schnell gehen und jeder von uns könnte abrutschen, durch Krankheit oder durch schwere Schicksalsschläge…

Welche Gesprächsthemen haben Sie und Ihre Gäste an diesen Abenden?

Unterschiedlich – mal diskutieren wir über unseren Fußballverein Hertha BSC, mal geht es um die Familie oder Freunde – eigentlich ganz normale Themen. Im letzten Jahr kam ein kleines Mädchen auf mich zu und sagte, sie wäre ein Kind der Feier! Als ich etwas verdutzt schaute, erklärte sie mir, dass ihre Mutter vor ca. 10 Jahren auf unserer Weihnachtsfeier hoch schwanger war, als die Wehen kamen. Unser Ärzte-Team hat die werdende Mutter dann gleich ins Krankenhaus gefahren und das Baby kam Minuten später auf die Welt. Eine sehr berührende Geschichte.

Bedanken sich viele persönlich bei Ihnen? Was war das Schönste, was je zu Ihnen gesagt wurde?

Natürlich bedanken sich viele bei mir, denn ich stehe ja für die Feier und trage auch die Verantwortung. Es bedanken sich aber auch viele Menschen, denen es gut geht, denn sie sind froh, dass jemand ehrlich und authentisch eine solche Feier auf die Beine stellt.

Setzen Sie sich auch außerhalb von Weihnachten für Obdachlose und bedürftige Menschen ein?

Ich werde das ganze Jahr über auf unsere Feier angesprochen und natürlich versuchen wir auch in anderen Bereichen zu helfen. Anfang des Jahres zum Beispiel konnten wir ein neues Arztmobil für die Caritas finanzieren. Dieses Ärztemobil fährt ganzjährig durch die Stadt und behandelt Obdachlose ohne Wenn und Aber – eine tolle Sache. Ein kleiner Zander-Fisch ziert nun die Tür vom Bus und zusammen mit Kardinal Woelki habe ich das Mobil eingeweiht. Für die Krankenstation am Bahnhof-Zoo habe ich zusammen mit dem rbb Fernsehen einen Aufruf
zur Renovierung gestartet. Der Berliner Stadtmission konnte ich einen neuen Einsatzwagen vermitteln und erst kürzlich konnten wir ein neues Schild für die zentrale Beratungsstelle in der Levetzowstraße bezahlen.

Was bedeuten Ihnen Ihre zahlreichen Auszeichnungen?

Sie machen mich und meine Familie stolz, denn sie zeigen uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Ich trage natürlich nicht bei jeder Veranstaltung meine Orden, das finde ich doch ein wenig albern, weil ich denke viele der Eingeladenen wissen um mein Engagement, denn sie fragen mich sehr oft, ob sie in irgend einer Weise helfen könnten. Bei großen Bällen und Galas zeige ich gern und auch stolz meine Verdienstorden, natürlich nur die verkleinerten Pins am Jackett.

Können Sie gut abschalten nach Ihrer Veranstaltung oder begleiten Sie persönliche Schicksale noch lange?

Ich brauche so 1 bis 2 Tage, dann habe ich alles wieder richtig eingeordnet. Das ist auch wichtig, denn ich will ja mit meiner Familie so im kleinen Rahmen auch noch feiern. Meine Frau brutzelt dann eine Gans, meine Schwiegertochter, mein Sohn und mein Enkel bereiten alles vor und ich schmücke den Baum – so ganz normal eben…

 

ZUR PERSON Frank Zander wird am 4.Februar 1942 in Berlin geboren; 1959 Meisterschule für Grafik; 1961 Sänger und Gitarrist der „Gloomy-Moon Singers“; 1973 Start der Solokarriere; 1977 Titel „Erfolgreichster deutscher Interpret“ (vom Branchenblatt „Musikmarkt“ verliehen); 1978 „Plattenküche“ mit Helga Feddersen (WDR); 1979 „Frank Zander Show“ (ARD); 1981 Nr. 1 Hit „Wenn wir alle Englein wären“; 1990 Hit „Hier kommt Kurt“; Verleihung des „Goldenen Löwen“
(RTL); 1991 Hertha-BSC Hymne „Nur nach Hause“, 1995 Beginn des Engagements für  Obdachlose; 1999 Berliner Bürgermedaille; 2002 Bundesverdienstkreuz; 2007 Berliner Ehrennadel; 2008 Berliner des Jahres; 2012 Verdienstorden d. Landes Berlin; Seit 1967 verheiratet, ein Sohn, ein Enkelkind – Hobbys: Insel Ibiza, Malerei.

Interview zum Download als PDF.